Forschen und Entdecken von Lebensspuren - mikroskopisch kleine Überlebenskünstler und spektroskopische Experimente

Rädertiere beim Herbeistrudeln von Nahrung (400fache Vergrößerung)

Bärtierchen sucht in der Cuticula nach einem Ausgang (400fache Vergrößerung)

Geschafft! Bärtierchen verlässt die Cuticula (400fache Vergrößerung)

Auf der Suche nach mikroskopisch kleinen Lebewesen in Biotopen mit widrigen Umweltbedingungen, wie z.B. temporäre Pfützen, können Schüler in der ausgetrockneten Vogeltränke ihres Schulgartens fündig werden.

 

Etwas von der rötlichen Substanz aus dem kleinen Granit-Wasserbecken wird als mikroskopisches Präparat in der AG beobachtet und untersucht. Überlebenskünstler der „Lebensgemeinschaft Vogeltränke“ – Rädertiere (Rotatoria) und die Blutregenalge Haematococcus pluvialis in ihrem Dauerstadium –sind als thematischer Einstieg und zur Motivation der Schüler besonders geeignet. Die Schüler können beobachten, wie die in einer Trockenstarre (Anhydrobiose) überdauernden, mehrzelligen Rädertiere aus ihrem geschrumpften Resistenzstadium im Wassertropfen zu neuem Leben „erwachen“. Auch hartschalige, widerstandsfähige Dauereier der Rädertiere überstehen ungünstige Bedingungen.

Die Blutregenalge (pluvia, lateinisch „Regen“), ist durch ihre intensive Färbung im Präparat eindrucksvoll zu beobachten. Die Schüler recherchieren und erfahren, wie sich die einzellige Grünalge (8-50 µm) mit Hilfe des Carotinoids Astaxanthin vor fotooxidativem Stress und bei Nahrungsmangel schützt. Zum Nahrungsspektrum der Rädertiere in der Vogeltränke gehören auch die begeißelten Vermehrungsstadien der Blutregenalge, abgestorbene Algenreste und bakterienfressende, kleinere Wimperntierchen. Wissenschaftler der Universität Cambridge erforschen seit Jahren, wie widerstandsfähig getrocknete Rädertiere sind. In den Experimenten überstanden sie einen Hitze-Kälte-Schock von 100° C zu minus 196° C sowie hohen Druck und extremen Strahlungseinfluss. Letzterer lässt sogar ihre DNA reversibel in kleine Stücke brechen. Diese Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass einfache Lebensformen auch auf unwirtlichen Himmelskörpern vorkommen könnten.

 

Auf der Suche nach einem weiteren Überlebenskünstler entdecken die Schüler im Moospolster auch Bärtierchen. Einfache Versuche mit den berühmt gewordenen, weltraumtauglichen Organismen unter verschiedenen Umweltbedingungen (Trockenheit, Hitze, Kälte) lassen ihre Anpassungsfähigkeit erkennen. Die Beobachtungen und Versuchsergebnisse leiten über zu der Frage nach Lebensspuren außerhalb der Erde:

Welche Indizien könnte es für außerirdisches Leben geben? Hierbei helfen den Schülern Überlegungen zu Voraussetzungen für irdisches Leben (Wasser, Atmosphäre, lebensfreundliche Temperaturen…).

 

In der Arbeitsgemeinschaft wird recherchiert, wie Wissenschaftler mit Hilfe von Absorptionsspektren bei der Suche nach erdähnlichem Leben in Atmosphären extrasolarer Planeten in der habitablen Zone, relevante Moleküle nachweisen können. Nachgewiesenes Ozon würde auf die Existenz von Sauerstoff hindeuten, und Sauerstoff ist ein wichtiges Indiz

für Leben. Mit dem Bau eines Handspektroskops und einfachen aber spannenden Experimenten, z.B. ein Versuch zur spektroskopischen Untersuchung der Absorptionseigenschaften von Chlorophyll als Beispiel für ein organisches Molekül, begeben sich die Schüler auf die Spuren der Wissenschaft…

Rädertiere – Vielzeller vom Stamm der Schlauchwürmer

 

Rädertiere, die vor allem in stehendem Süßwasser vorkommen, aber auch das Meer und andere Biotope mit mehr oder weniger großen Wasseransammlungen besiedeln (obere Bodenschichten, Moose, Bäume, etc.), sind Schlauchwürmer von meist 0,2 – 0,5 mm Länge (längste Art bis 3mm) und besitzen Wimpernkränze am Kopfabschnitt. Dieses Räderorgan dient den Organismen zum Herbeistrudeln von Nahrung und zur Fortbewegung. Auffällig ist auch der muskulöse Kauapparat (Mastax), dessen pulsierende Tätigkeit man gut im Präparat beobachten kann. Dieser vordere ventrale Abschnitt des Pharynx (Schlund) hat bei den Rädertieren viele Umgestaltungen zu einem Pump-, Quetsch- oder zangenartigen Greiforgan erfahren.

 

Rädertiere der Ordnung Bdelloidea (Egelrädertiere), die extreme Lebensräume bewohnen, z.B. die Antarktis, heiße Quellen sowie temporäre Wasseransammlungen in Flechten- und Moospolstern, mit manchmal monatelangen Trockenperioden, können außer Schwimmen auch egelartig kriechen: Sie strecken den Körper teleskopartig aus und ziehen ihn wieder zusammen. Hierbei dienen Klebedrüsen im Kopfbereich und am Fuß zum Anheften. Trockenheit und andere extreme Bedingungen überdauern sie in einem Resistenzstadium durch Kryptobiose („verborgenes Leben“). Dabei ist Metabolismus nicht mehr nachweisbar. Im Unterschied zum quergerieften Tönnchen der Bärtierchen, zeigt das Dauerstadium der Bdelloiden eine Längsriefung.

 

 

Literaturhinweise:

 

Arnold Wartenberg: Systematik der niederen Pflanzen, Thieme (1972)

Streble/Krauter: Das Leben im Wassertropfen, Franckh’sche Verlagshandlung (1981)

Alfred Kaestner: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Bd. 1 Wirbellose, Fischer Verlag (1969)

Schüler Duden : Die Tiere (1987), Die Pflanzen (1988)

Volker Storch & Ulrich Welsch: Kükenthal Zoologisches Praktikum, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg (2009)



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